Nehmen Sie an unseren 155000 IMP Followern teil

constructionequipmentmag.de
Liebherr News

DER SEILBAGGER, DER LIEBHERR VERÄNDERTE

Manchmal kann eine einzelne Entscheidung eine neue Ära einläuten. So auch der Entschluss, den ersten Liebherr-Seilbagger zu bauen und als Weltneuheit auf der Bauma 1980 zu präsentieren. Nun ist der erste HS 870, der Urvater der Baumaschinenproduktion im Nenzing (Österreich), zurückgekehrt.

DER SEILBAGGER, DER LIEBHERR VERÄNDERTE

Die Heimkehr des HS 870

Dass er diese Maschine eines Tages wiedersehen würde, hätte Manfred Brandl nie geglaubt. Dabei verbindet die beiden eine Geschichte, die Liebherr veränderte. Denn das Liebherr-Werk Nenzing (Österreich), das Manfred Brandl als Produktionsmitarbeiter betrat und nach vier Jahrzehnten als Geschäftsführer verließ, hätte sich um ein Haar völlig anders entwickelt und würde mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit noch heute Schiffskrane bauen. Wäre da nicht dieser Hydroseilbagger gewesen, der vierzig Jahre nach seinem Bau in einer Kiesgrube bei Bonn (Deutschland) rostig aber standhaft Tag für Tag Hebearbeiten erledigte. 2014 entdeckte man ihn. Der damalige Verkaufsleiter für Seilbagger und Raupenkrane für die Region Deutschland inspizierte ihn persönlich und berichtete seinen Kollegen in Nenzing das Unglaubliche: Er hatte den Urvater der Nenzinger Baumaschinenproduktion vor sich – den Prototypen des Seilbaggers HS 870 mit der Seriennummer 181001. Für Manfred Brandl sollte dieses Wiedersehen ein unvergessliches werden.

Der Urvater braucht mehr als nur neuen Lack

In seinen 35 Jahren in der Baumaschinenproduktion stand Jürgen Grass, Leiter Montage, bereits vor so mancher Herausforderung. Aber kaum eine war so besonders wie diese. An die Heimkehr des Seilbaggers HS 870 wird er sich wohl immer erinnern. Das war im Februar 2018: „Ich sehe ihn noch vor mir. Sein Zustand war den Umständen entsprechend gut. Der Motor und die Hydraulik funktionierten immer noch einwandfrei. Aber der Zahn der Zeit hat natürlich auch an unserem ersten Seilbagger seine Spuren hinterlassen. In den 40 Jahren, in denen er im Einsatz war, wurde ja auch nicht gerade zimperlich mit der Maschine umgegangen.“ Eines war klar: Wenn man diesen Teil Liebherr-Geschichte retten wollte, brauchte es mehr als nur einen neuen Anstrich.

Doch wie restauriert man eine Maschine, die ein ganzes Zeitalter begründet hat? „Da wir bei uns in Nenzing nur auf den Neubau von Maschinen spezialisiert sind, musste immer wieder entschieden werden, wie tief wir in die Restauration gehen. Der Charakter sollte ja erhalten bleiben. Es war ganz schön schwer für uns, den Seilbagger-Oldtimer nicht so perfekt wie eine neue Maschine aussehen zu lassen.“

Ein Team aus Monteuren, Schlossern, Ingenieuren und Lehrlingen machte sich ans Werk. Jung und Alt, neue und erfahrene Mitarbeitende halfen und legten Hand an. Der Unterwagen war in schlechtem Zustand und nahm viel Zeit in Anspruch, der gesamte Fahrantrieb musste komplett restauriert werden. Die Stahlverkleidung hatte erheblich unter den vielen Jahren im Einsatz gelitten und wurde von Lehrlingen komplett neu gebaut. Ventile wurden erneuert, Hydraulikschläuche ersetzt und alte Pumpen und Motoren in ihre Einzelteile zerlegt, gereinigt und neu montiert. Neben originalen Ersatzteilen fand zuletzt sogar Hightech aus dem 21. Jahrhundert ihren Weg in den HS 870: Für die Scheinwerferabdeckungen waren auch nach langem Suchen keine Ersatzteile mehr zu finden, „diese haben wir dann im 3D-Drucker originalgetreu hergestellt,“ sagt Jürgen Grass.

Jürgen Grass ist stolz auf seine Mitarbeitenden. Für ihn ist der restaurierte HS 870 ein Beispiel dafür, was Erfindergeist und Teamarbeit erreichen können. „Wir haben hier viele sehr gute und erfahrene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei uns. Der eine oder andere war vor 40 Jahren sogar noch selber bei der Fertigung des HS 870 mit dabei.“ Über 700 Stunden Arbeit haben sie am Ende in die Restaurierung gesteckt, neben ihrer täglichen Arbeit in der Produktion. Eine Meisterleistung, findet Jürgen Grass, bei der alle Beteiligten die Geschichte hautnah erfahren konnten. „Darum war es uns bei der Restauration auch sehr wichtig, unsere Lehrlinge miteinzubeziehen. Vor allem für diese jungen Mitarbeiter war das alles sehr spannend. Sie konnten erleben, wie unsere HS-Baureihe einst angefangen hat. Heute sind unsere Seilbagger alle digital, 1980 war alles noch analog.“

Neuland in den Alpen

In den analogen Jahren 1979 und 1980 ahnten weder Manfred Brandl noch seine Kollegen, dass ihre Arbeit für immer als Wendepunkt in die Geschichte von Liebherr eingehen würde. Alles begann damit, dass der deutsche Baumaschinenhersteller Menck in Konkurs ging. Zur gleichen Zeit traten verschiedene Bauunternehmer an Hans Liebherr junior mit der Bitte heran zu prüfen, ob sein Unternehmen nicht auch Seilbagger bauen könnte. Der Sohn des Firmengründers kaufte die Konstruktionspläne des insolventen Herstellers und nach reiflicher Überlegung fiel die Entscheidung, einen Seilbagger in Nenzing zu bauen. Und Manfred Brandl wurde Teil der Gruppe, die den HS 870 baute. Er erinnert sich, dass der Prototyp zu Beginn nicht bei allen beliebt war. „Wir waren eine Schiffskranfabrik und hatten mit Baumaschinen wenig zu tun. Der Seilbagger war ein komplett anderes Produkt und hat gar nicht richtig ins Produktionsprogramm gepasst. Da haben hinter vorgehaltener Hand so einige gemurrt.“

Allen Gegenstimmen zum Trotz, ein Seilbagger sollte es werden, und zwar nicht nur eine Menck-Maschine unter neuem Namen. Nein, der erste Liebherr-Seilbagger, sollte einen diesel-hydraulischen Antrieb und eine elektronische Steuerung haben. Eine Weltneuheit, die auf der Bauma 1980 präsentiert werden sollte. Allerdings blieben nur 18 Monate Zeit. „Da ging es erstmal drunter und drüber“, sagt Manfred Brandl. „Wir wussten ja nicht einmal, wie ein Seilbagger funktioniert und wir mussten teilweise komplett neue Fertigungsabläufe definieren.“ Ausgerüstet mit den Konstruktionszeichnungen des Menck-Modells M 750 machten sich die Konstrukteure ans Reißbrett und entwarfen eine ihnen unbekannte Maschine mit neuartiger Hydraulik und neuem Antrieb. „Wir Maschinenbauer haben in der Montage dann ziemlich bald die Baupläne bekommen und haben losgelegt. Erst beim Bau ist aufgefallen, dass die Konstruktionszeichnungen von Menck unvollständig waren. Da gab es einiges, das hakte.“ Sie machten sich als Gruppe daran, die Fehler zu finden – nicht unähnlich der heutigen agilen Arbeitsweise – und gemeinsam fanden sie Lösungen für alle Probleme. „Das Schiffskranbauen ist ein Projektgeschäft. Da kann man sich blind auf den anderen verlassen. Und nur so haben wir es auch geschafft, den HS 870 in Höchstgeschwindigkeit zu bauen.“ Sogar an den Wochenenden arbeiteten sie an ihrem Seilbagger – als eingeschworenes Team.

www.liebherr.com

  Fordern Sie weitere Informationen an…

LinkedIn
Pinterest

Nehmen Sie an unseren 155000 IMP Followern teil